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Politik und die Luft, die Kultur zum Leben braucht

Stellt euch vor, ihr dürfet Eure Lieblingsbuchreihe nicht mehr lesen oder Euren Lieblingssong nicht mehr hören. Das ist bei uns in Deutschland unvorstellbar, oder? Dies ist aber momentan in Ungarn unter der Regierung von Viktor Orbán und seiner Partei Fidész zur Realität geworden. Seit dem Jahr 2010 greift die ungarische Regierung durch verschiedene Vorgaben drastisch in das Kulturgeschehen ein. Dies bringt nicht nur weitreichende Folgen für die ungarische Bevölkerung, sondern löst auch international Besorgnis aus, da Ungarn nach dem Fall des eisernen Umhangs ein liberales Land war.

Die Politik Orbáns, der seit 2010 das Amt des Premierministers besetzt, hat sowohl Unterstützung als auch enorme Kritik hervorgerufen.

Kritisiert wird unter anderem die Zuteilung staatlicher Mittel an Kulturprojekte. Kritiker argumentieren, dass finanzielle Förderungen oft mit politischer Loyalität verbunden sind. Die Auswirkung könnte sein, dass Künstler oder Kunsteinrichtungen ihre Kreativität nicht voll ausleben dürfen beziehungsweise sich selbst mit einer Zensur belegen müssen, weil sie sonst eventuell keinen finanziellen Mittel erhalten. Kulturelle Einrichtungen sind auf diese Gelder angewiesen, um ihre Aktivitäten aufrechtzuerhalten und weiterzuentwickeln. Fördermittel werden gebraucht, um die Kosten von Kunsteinrichtungen zu decken, Lohn von Künstlern und Fachkräften zu bezahlen und Kunstveranstaltungen zu organisieren. Das Fehlen dieser Mittel könnte das Ende zahlreicher Organisationen bedeuten. Darüber hinaus schränkt die politische Einflussnahme die Unabhängigkeit und Freiheit der kreativen Ausdrucksformen der Künstler und Kunsteinrichtungen ein. Kunsteinrichtungen, die sich durch eigene Einnahmen oder durch externe Sponsoren finanzieren, werden dann durch regierungskonforme Institutionen ersetzt, damit die Regierung Zugriff auf diese Einrichtungen hat. Solch einen Kurswechsel konnte man beispielsweise beim ungarischen Nationaltheater beobachten: Der homosexuelle und liberale Regisseur Robert Alföldi, der sich nicht den nationalistischen Vorgaben beugen wollte, wurde schlichtweg durch den konservativen Attila Vidnyánszky ersetzt. Ebenso einiger liberalen Schauspielern.

Dies hat international Besorgnis ausgelöst, da diese Organisationen eine entscheidende Rolle bei der Unterstützung von Gemeinschaften spielen. NGOs bilden außerdem einen wichtigen Faktor für kulturellen Austausch und Beziehungen zwischen verschiedenen Ländern wie zum Beispiel ein Auslandsjahr in der Schule durch ein kulturelles Austauschprogramm. Vorschriften, die eigentlich als Schutz vor ausländischer Einflussnahme gelten, erschweren jedoch die Zusammenarbeit im internationalen Kulturaustausch. Dies führt nicht nur zu einer Isolation dieser Institutionen, sondern beeinträchtigt auch die Vielfalt und den Reichtum an kulturellen Erfahrungen.

Minderheiten wie unter anderem die LGBTQ+-Community finden in Ungarn außerdem gar keine Unterstützung oder Toleranz. Das „Anti-LGBTI-Gesetz“ untersagt die Aufklärung der Jugend bezüglich Diversität, Homosexualität etc. Da Diversität in den Augen der ungarischen Regierung nicht als normal angesehen und sogar als Straftat betrachtet wird, sollen die Kinder durch dieses Gesetz davor bewahrt werden. Dabei ist nicht nur die Aufklärung untersagt, sondern das Thema soll generell nicht angesprochen und diskutiert werden.

Das betrifft zum Beispiel auch die Literatur, denn Bücher, in denen Homosexualität in irgendeiner Weise thematisiert wird, dürfen nicht an Minderjährige verkauft werden.

Also wenn Dein Lieblingsbuch Inhalte wie Homosexualität beinhaltet, dürfest du es nicht mehr lesen, weil es laut diesem Gesetz nicht den ungarischen Werten entspräche.

Das Anti-LGBTI-Gesetz hat deshalb international für jede Menge Ablehnung gesorgt. Kritiker argumentieren, dass das Gesetz Diskriminierung fördert, indem es die Darstellung von LGBTI-Themen in Schulen und Medien stark einschränkt. Es wird als Angriff auf die Rechte und die Sichtbarkeit von LGBTI-Personen gesehen, was zu Spannungen innerhalb der Europäischen Union geführt hat. Befürworter des Gesetzes argumentieren hingegen mit dem Schutz traditioneller Familienwerte. Die Debatte zeigt dabei unterschiedliche Auffassungen über Menschenrechte und gesellschaftliche Normen auf, die wirklich zum Nachdenken anregen.

Kritisch zu betrachten ist auch die Kontrolle über Medien durch die Regierung. Medienunternehmen, die mit Orbán sympathisieren, könnten auch hier bevorzugt behandelt werden, während Einrichtungen ohne staatliche Unterstützung möglicherweise unter Druck geraten. Zudem muss man bedenken, dass ein Großteil der ungarischen Medienlandschaft unter staatliche Beeinflussung beziehungsweise Kontrolle steht, da auch hier wieder Befürworter von Orbáns Politik die führenden Positionen belegen und somit die Kontrolle über die Firma haben. Diese Betriebe wiederum kaufen kleinere Lokal-Medien auf. Durch dieses Vorgehen stehen mittlerweile ca. 80% der Medienlandschaft unter dem Einfluss der Regierung. Damit steigt das Risiko für Medienunternehmen, die sich bisher nicht der Politik gebeugt habe, in Bedrängnis zu kommen und ihre Betriebe möglicherweise in der Zukunft aufgeben zu müssen. Kritik an der Regierung erreicht die Bevölkerung oft erst gar nicht, da die Medien unter ständiger Beobachtung stehen, was eigentlich zum Schutz dienen sollte, jedoch ein Weg ist, um die Medien unter Druck zu setzen.

Im Allgemeinen stehen Medien im direkten Kontakt zur Bevölkerung und leisten somit einen wichtigen Beitrag zur Bildung von Meinungen. Die Tatsache, dass Orbáns Regierung die Verbreitung anderer Meinungen durch die Medien unterdrückt und die Menschen somit überwiegend mit regierungskonformen Informationen versorgt werden, ist ein Grund für die lange Amtszeit von Orbán.

Dies wirft nicht nur Fragen zur Meinungsfreiheit auf, sondern könnte auch die kulturelle Vielfalt und die Verfügbarkeit unterschiedlicher Perspektiven erheblich beeinträchtigen.

Orbáns Kulturpolitik hat aber auch zahlreiche Anhänger und Befürworter. Diese sind überzeugt, dass die Einschränkung von Kultur, Meinungsfreiheit und der Diversität wichtige Maßnahmen sind, um die traditionell ungarischen Werten vor einer Vermischung mit anderen Kulturen zu bewahren. Viktor Orbán argumentiert, dass seine Politik insbesondere darauf abzielt, die Identität des Landes zu wahren, indem das klassisches und christliche Familienbild geschützt wird. Er sieht die Überwachung und Kontrolle der Medien und der Kultur als den einzigen Weg, ungarische traditionelle Ideale bewahren und fördern zu können. Einige Kritiker befürchten, dass die dadurch erzielte Unterdrückung gegensätzlicher Positionen zu einer Festigung seiner politischen Macht führt, was wiederum die Fortführung seiner strengen Politik und die Einschränkung kultureller Vielfalt begünstigt.

Insgesamt bleibt die Debatte über die Zensur der Kultur in Ungarn kompliziert und vielschichtig. Eine Balance zwischen dem Schutz der nationalen Identität und der Förderung kultureller Vielfalt ist eine Herausforderung, die nicht nur Ungarn, sondern auch die internationale Gemeinschaft betrifft. Der Mangel an „politischer Luft“ für kulturelles Leben, der momentan in Ungarn herrscht, beeinträchtigt sowohl externe Kulturen als auch die ungarische Kultur.

Anders als unter Orbáns Regierung existieren in Deutschland eine wesentlich größere Unabhängigkeit und Vielfalt im Hinblick auf die Kultur. Im Gegensatz zu Ungarn wird die Beeinflussung der Medien und der Kultur im Allgemeinen durch die Regierung in Deutschland sehr kritisch gesehen. Diese Ansichten reflektieren die unterschiedlichen politischen Ansätze und Wertvorstellungen beider Nationen. 

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Tourist beim Fotografieren eines Gebäudes
Fenster eines Gebäudes in Nürnberg, Deutschland

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Annie Steiner

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